Dienstag, 28. April 2015

Politainment, diesmal in grün. Oder: Von Maria Vassilakou zu Henry Kissinger

Die Wiener Grünen plakatieren derzeit ein äußerst großes Plakat an prominenter Stelle neben Wiener Naschmarkt und APA. Darauf abgeildet die Wiener Vizebürgermeisterin, an die Wand geklebt und mehr oder minder bewegungsunfähig, verbunden mit einigen Zitaten: "Ich soll den Häupl Michi nicht immer so ärgern", "Ich soll die Pappn halten, wenn der Michi spricht" und "Ich soll dem Häupl Michi nicht immer die Mahü unter die Nase reiben".
 Jetzt könnte man dazu allerhand sagen beziehungsweise wurde dazu auch schon viel gesagt (man lese nur die Kommentare auf der Facebook-Präsenz der Wiener Grünen, Popcorn bereithalten). Unweigerlich muss man unter anderem auch an den Begriff des Politainment, also die Verknüpfung von Politik mit Entertainment, denken. Um nichts anderes handelt es sich bei personenbezogener Politik dieser Art freilich, eine Entwicklung, die insbesondere in den USA mit der Verbreitung des Fernsehers eingesetzt (so gab es beispielsweise seit Dwight Eisenhower keinen US-Präsidenten mit haarausfallbedingter Glatze) und durch das Internet und social media eine neue Dimension erreicht hat. So werden Politiker auch in den hiesigen Medien zumeist weniger anhand inhaltlicher Fragen beurteilt als in Bezug auf ihre Persönlichkeit, allenfalls entfernt mit Politik zusammenhängenden Handlungen oder für ihr Auftreten bis hin zu ihrer Kleidung beurteilt werden beziehungsweise verstärkt auf derartige Merkmale abstellen. Passend dazu auch die Schlagzeile im aktuellen Heute, die daraus sogleich ein kleines Polit-Drama macht (siehe unten).
  Interessanterweise hat sich selbst Henry Kissinger sich in seinem letzten Buch (World Order) dazu geäußert, indem er den Hintergrund für Politainment darin begründet sieht, dass Politiker in einer immer komplexer werdenden Welt mit den von ihnen abgesegneten Regulierugnsmaßnahmen überfordert sind:
"A combination of chronic insecurity and insistent self-assertion threatens both leaders and the public in the Internet age. Leaders, because they are less and less the originators of their programs, seek to dominate by willpower or charisma. The general public's access to the intantibles of the public debate is ever more constrained. Major pieces of legislation in the United States, Europa, and elsewhere often contain thousands of pages of text whose precise meaning is elusive even to those legislators who voted for them."
Wo diese Entwicklung endet, bleibt freilich offen. Ein Schreckensszenario bietet der Film "Idiocracy"; bleibt die Hoffnung, dass politische "Duelle" in Zukunft nicht in Form von körperlichen Schaukämpfen im Stile von "American Gladiators" stattfinden.

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