Goldene Zeiten für Pessimisten. Der Blick in eine
x-beliebige Zeitung gibt Nährstoff ohne Ende. Flüchtlingskrise (beziehungsweise
der dilettantische Umgang damit), demographischer Wandel, Pensionen, die eben
nicht sicher sind, Terrorismus, anhaltende Wirtschaftsflaute beziehungsweise
-krise. Es ist momentan nicht leicht, guter Dinge zu sein. Viel zu stark der
weitverbreitete Eindruck, dass es nicht besser wird, die beste Zeit schon lange
zurückliegt und nicht wiederkommt.
Die Hoffnung stirbt zuletzt heißt es ja eigentlich.
Zweckoptimismus braucht der Mensch, sonst kann man es ja gleich lassen,
zumindest, wenn man an kein schönes Leben im Jenseits glaubt. Allein, vielen
fehlt der Glaube. An die Hoffnung wie auch an das Leben danach. Wenig
verwunderlich, dass sich Sinnleere breitmacht. Wenn man nur dieses eine Leben
hat (YOLO – „you only live once“ heißt es im mittlerweile auch schon wieder aus
der Mode gekommenen Jugendchargon) und die Zukunft wenig verheißungsvoll erscheint,
kann man als (einigermaßen) „junger Europäer“ entweder in die wesentlich
attraktiveren und zukunftsträchtigeren Länder „abhauen“, wie es erst unlängst
in einem schonungslos
ungezügelten Artikel in der F.A.Z. heißt:
„Solange die jungen Europäer ihre Füße unter Muttis
Tisch stellen, folgen sie ihren Regeln und fassen an, wo man es ihnen sagt.
„Das geeinte Europa ist ein Projekt, an dem wir unbedingt weiterarbeiten
sollten“, mahn-motiviert die „Neon“ ihre Leser. Die Millennials sollen, mit
anderen Worten, ein Haus renovieren, in dem sie nur zur Untermiete wohnen – und
zwar befristet. Warum? Wenn politisch denken heißt, Widersprüche zu erkennen
und in Argumentationen zu verwandeln, wenn es bedeutet, zwischen
gesellschaftlichen Gruppen und ihren Interessen unterscheiden zu lernen, dann
ist es zutiefst unpolitisch, in einem solchen Haus „wir“ zu sagen. Warum sollte
sich ein 25-jähriger Europäer von den Durchhalteparolen der gutversorgten
Multiplikatoren, der Mandats- und Entscheidungsträger angesprochen fühlen? […] Auswanderung
ist seit Jahrhunderten eine bewährte europäische Tradition. Man würde nichts
anderes tun als die Vorfahren im 19. Jahrhundert. Länder wie die Vereinigten
Staaten und Kanada, die damals Ziele waren, sind heute immer noch Versprechen.
Die mit ihren zwanzig Jahren schon greisenhafte EU dagegen hat, wie es
aussieht, keine Verwendung mehr für Jugend oder Jugendlichkeit, ihre
Aggression, Durchgeknalltheit und Sehnsucht. Lieber verbietet sie Glühbirnen
und reguliert Kerzen. Es ist aber völlig okay, wenn es ab und zu mal brennt.“
Sich politisch engagieren, die Verhältnisse auf den
Kopf stellen oder zumindest eine gewisse Veränderung herbeiführen? Das
überlegen so manche. Um es sich dann wieder anders zu überlegen. Zu
veränderungsresistent scheint dieses Land, zu stark dominiert von alt
eingesessenen Strukturen, Parteien und Interessensverbänden. Damit sich hier
etwas tut, muss erst sehr viel passieren. So viel, das einem angst und bange
wird. Nein, hier wird man als Politiker entweder zynisch oder man bleibt unten.
Davon abgesehen fehlt es vielen an der für dieses Feld bitter notwendigen
Ellbogenmentalität.
Oder den Kopf in den Sand stecken. Im Hier und
Jetzt leben, allenfalls für die nächsten ein, zwei Jahre planen, darüber hinaus
bringt ohnehin nichts, weil erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Eigenheim im Grünen? Teuer bis unleistbar, zumal man
sich dann durch Kredit und Hypothek langfristig einer Bank ausliefert. Dann
noch mehr Angst um den Arbeitsplatz haben muss als es ohnehin schon der Fall
ist. Sich in eine noch größere Abhängigkeit vom Arbeitgeber begibt. Erschwerend
kommt hinzu, dass gerade das vielgerühmte Haus im Grünen, einst sichere
territoriale Verankerung und Zuflucht für ganze Generationen, mittlerweile
stark im Wert sinkt. Davon abgesehen ist es „am Land“ für die
meisten ohnehin viel zu fad. Von den Anschaffungskosten für eine
Eigentumswohnung in der Stadt wollen wir jetzt erstmal gar nicht reden, zumal
die Wiener SPÖ auch
hier die Steuerschraube fester drehen möchte.
Kinder? Selbiges zur Abhängigkeit wie soeben, nur
nochmal verstärkt. Davon abgesehen sind Kinder, so man sich auch um sie kümmern
will, oftmals ein Wettbewerbsnachteil auf dem Arbeitsmarkt. Verringern sie doch
die zeitliche wie auch die räumliche Flexibilität enorm. Davon abgesehen: wenn
die Welt nicht besser, sondern schlimmer wird, wieso sollte man dann auch noch
Kinder mit hineinziehen? Für die eigene Versorgung, wenn das Pensionssystem mal
endgültig zusammenbricht – wie es einem zumindest allerorts suggeriert wird?
Weniger Sorge vor Alterseinsamkeit haben muss? Verständliche, aber nicht
sonderlich noble Intentionen, die sich spätestens dann rächen, wenn die Kinder
danach fragen, wieso sie eigentlich auf der Welt sind. Dann vielleicht doch
lieber mit den ebenfalls kinderlosen Freunden über Alters-WGs als Alternative
zu den Altersheimen fabulieren. Vorausgesetzt, dass die Welt dann überhaupt noch
steht.
Selbst unternehmerisch tätig werden, sogar
Arbeitsplätze schaffen? Yeah, right. In Österreich? Dazu sind die
unternehmerfeindliche Stimmung und die damit einhergehenden steuerlichen
beziehungsweise gesetzlichen Regelungen mittlerweile zu bekannt. Hierzulande
ist man entweder Großunternehmer (also so richtig groß, inklusive der
dazugehörigen politischen Kontakte) oder man lässt es bleiben. In der Presse
erschien erst unlängst ein Artikel über die Schikanen,
denen diese Berufssparte tagaus tagein ausgesetzt ist. Ja, wer da noch ein
Unternehmen gründet, dem ist nicht mehr zu helfen. Besserung ist
nicht in Sicht: Lamentieren ja, manchmal auch Gelöbnisse der Besserung von
Seiten der Politik beziehungsweise der Interessensvertretung, dazu irgendwelche
Vorschläge, die in der Regel nichts bringen; Hauptsache, man kann sagen, man
hätte etwas getan. Obwohl gerade in dem Bereich etwas weniger Tun („lasst die
Unternehmer einfach arbeiten!“) eher angebracht wäre als die altbekannten
"Maßnahmen" wie Finanzspritzen, Förderprogramme oder Ansprechstellen
in der Wirtschaftskammer.
Zurück zum Zweckoptimismus. Ein trügerischer
Freund, aber, wie gesagt, dringend notwendig. Man giert nach Zahlen, die einem
zeigen, dass die Welt nicht schlechter wird, die Gewalt wider das
tägliche mediale Bild abnimmt, Armut und Hunger sinken und wir die
Vergangenheit ohnehin verklärt-überpositiv wahrnehmen (man spricht von „rosy retrospection“).
Immer noch verhältnismäßig großer Wohlstand vorherrscht. Dass wir momentan in
Zeiten des Umbruchs leben, aber vieles auch schon mal da war. Es an der Kippe
stehend durchaus besser werden könnte. Vielleicht wird Europa durch irgendeinen
technologischen Durchbruch gerettet. Oder eine unvorhergesehene, kurzfristig schmerzvolle
politische und wirtschaftliche Umwälzung bringt langfristigen Wohlstand.
Vertrauen kann man darauf nicht, aber die Hoffnung – so die allseits bekannten
Phrasen – bleibt. Irgendetwas braucht man ja doch.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen