Mittlerweile kann man die ursprünglich absurde Vorstellung, dass
der nächste US-Präsident Donald Trump heißen könnte, nicht mehr als völlig
unrealistisch beiseite wischen. Ursache und Wirkung werden dabei jedoch gerne
verwechselt.
"Donald Trump ist eine ernsthafte
Bedrohung für die amerikanische Demokratie" titelte ein Beitrag von Larry Summers in der Washington Post vor Kurzem. Weniger wegen seiner politischen Ansichten denn seiner
demagogischen Selbstdarstellung: Trump als der starke Mann, die personifizierte
Universallösung. Wer ihm im Weg steht, wird aus dem Weg geräumt.
Der inhärente Zusammenhang zwischen
Demokratien auf der einen und Demagogie und Populismus auf der anderen Seite
zieht sich seit je her durch die Ideengeschichte (die Suche nach dem richtigen
Verhältnis zwischen Volks- und Elitenherrschaft finden wir etwa schon bei
Aristoteles).
Der Zustand der US-Demokratie
Trumps Erfolg ist in diesem Lichte zu
sehen. Er stellt nur die letzte Stufe im schon seit geraumer Zeit andauernden
Verfallsprozess des politischen und gesellschaftlichen Systems der USA dar.
Dazu reicht ein kurzer Blick auf einige der vielen Gründe für seine Beliebtheit: Er gilt als ehrlich, gehört nicht dem politischen Machtapparat an und ist
finanziell unabhängig. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob diese Punkte
faktisch zutreffen (man denke nur an die viral gegangene "Last Week Tonight"-Ausgabe zu seiner Person). Entscheidend ist, dass er diesen Eindruck glaubwürdig vermittelt und das
tut er. Trump präsentiert sich als schwerreicher Robin Hood im Kampf gegen
"die da oben"; der kein Steuergeld braucht und nicht aufs big
business angewiesen ist, weil er als erfolgreicher Geschäftsmann selbst genug
davon hat. Daher verfolgt er keine Eigeninteressen und kann unabhängig von
außen für die USA und ihre Bevölkerung eintreten (für weitere damit einhergehende Gründe siehe hier).
Die US-Demokratie liegt nicht erst seit
gestern im Argen. Gut möglich, dass das freilich auch in Europa immer stärker
auftretende Gefühl der Entfremdung zwischen Politik und Volk in den USA als dem
Land der Ungleichheit (ungeachtet dessen, wie man dazu steht), am
allerstärksten ausgeprägt ist. Selbst ein großer Name wie Fareed Zakaria fällte
in seinem Buch „The Future of Freedom. Illiberal Democracy at Home and
Abroad“ ein vernichtendes Urteil. Demokratie habe
nichts mehr mit seinen antikane Ursprüngen zu tun, sondern werde vielmehr von
reichen und organisierten Minderheiten beherrscht, die sich und den status quo auf Kosten der Zukunft absichern.
Zu einem noch drastischeren Schluss
gelangten Martin Gilens (Princeton) und Benjamin Page (Norhwestern University)
im April 2014. Sie haben den faktischen Entscheidungsprozess, die
dahinterstehenden Akteure und die Endresultate genauer –
"wissenschaftlich" – untersucht. Ihr drastischer Schluss, der damals
auch durchaus für viel Aufsehen gesorgt hat und mittlerweile wieder versandet
ist: Die USA sind nicht mehr als Demokratie, sondern als
Oligarchie anzusehen. Selbst größere organisierte Gruppen haben
ihren Untersuchungen zufolge wenig bis keinen Einfluss auf den politischen
Prozess. Dieser liege faktisch vielmehr in den Händen wirtschaftlicher Eliten
und großer Konzerne – kurzum: Des (wirtschaftlichen) Establishments.
Symptom des Verfalls
Das ist der Nährboden, auf dem Populismus
besonders gut gedeiht. Immer dann, wenn die gefühlte oder tatsächliche Kluft
zwischen weiten Teilen der Bevölkerung und den "Eliten" ein gewisses
Maß überschreitet. Wenn immer mehr Menschen das Gefühl haben, dass wählen nur
wenig bis nichts bringt, etwa, weil die etablierten Parteien einander zu sehr
ähneln. Wenn der allgemein akzeptierte "Grundkonsens" einen zu engen
Rahmen setzt. Was oft mit dem Eindruck einhergeht, dass Parteien und Politiker
ohnehin dem Diktat des "big business" gehorchen. Daher schadet ihm
die immer stärker auf ihn einprasselnde Kritik aus den Reihen der Republikaner
und der Democrats oder auch von Seiten der großen Medienhäuser auch nicht, ja,
macht ihn eventuell sogar stärker. Getreu der Losung "wenn die ihn nicht
mögen, ist er wohl nicht so übel."
Es gilt, das Phänomen Trump richtig
einzuordnen. Man kann ihn durchaus als Totengräber der US-Demokratie ansehen.
Dabei darf man aber nicht vergessen, wer beziehungsweise was ihm die Schaufel
in die Hand gegeben hat. Er ist nicht Auslöser, sondern Symptom.
Die USA stecken auch ohne Trump in einer gesellschaftlichen und politischen
Krise. Wenn nicht er, dann hätte sie früher oder später jemand anderer
offenkundig gemacht.
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