Spätestens seit
der unsäglichen Debatte rund ums Chlorhuhn erhitzt TTIP, die zwischen den EU
und den USA geplante „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“,
die Gemüter. Hier stehen einander zwei Blöcke gegenüber, die sich prima facie nur schwer bis gar nicht auf
einen gemeinsamen Nenner bringen lassen.
TTIP – pros und cons
Proponenten von
TTIP verstehen die Aufregung nicht. Sie betonen die wohlfahrtsfördernde Wirkung
von Freihandel im Allgemeinen und die gerade in Zeiten wie diesen drängende weltpolitische
Notwendigkeit eines noch näheren Zusammenrückens der EU und der USA. Gerade die
Aufregung rund um das Chlorhuhn habe gezeigt, dass hier irrationale Ängste
geschürt werden, die
einer näheren Betrachtung nicht standhalten. Lapidar formuliert: Ob man ein
Huhn mit Antibiotika vollstopft oder in Chlorwasser taucht, läuft letzten Endes
mehr oder minder auf dasselbe hinaus. Allgemeiner gesprochen wird oft auch
vergessen, dass die
EU nicht durchwegs höhere Standards aufweist als die USA. Ebenso stehe die
Privatisierung von Wasser oder der Müllabfuhr bis hin zum Kulturbereich nicht
zur Disposition. Selbst die besonders große und dementsprechend emotional
diskutierte Sorge vor der Internationalen Schiedsgerichtsbarkeit sei verzerrt: Beispielsweise
wird bei Klagen und den damit verbundenen in der Tat exorbitant hohen Summen gerne
so getan, als wäre bereits ein zu Ungunsten des betroffenen Staats ergehendes
Urteil gefällt worden. Tatsächlich gäbe es insgesamt jedoch kaum
Urteile, die den Horrorszenarien entsprechen. Hinzu kommt, dass – so etwa
bei Vattenfall II – das vorherige
Verhalten der betroffenen Regierung gerne unterschlagen wird.
Man könnte jetzt
zu jedem einzelnen der oben kurz angeschnittenen Punkte wiederum Gegenargumente
anführen; den „chilling effect“, der von der Gefahr einer Klage ausgeht etwa:
Damit meint man, dass viele Klagen gar nicht erst eingebracht werden, weil
Regierungen es nicht so weit kommen lassen wollen und dementsprechend in ihrem
Handlungsspielraum eingeschränkt werden. Dass die Problematik rund ums
Chlorhuhn sich weniger
um Hygienevorschriften als um Massentierhaltung dreht. Oder, dass die
positiven Effekte von TTIP letztlich höchst überschaubar sein dürften
beziehungsweise nur Konzernen davon profitieren, nicht aber einzelne Kunden
oder Klein- bis Mittelunternehmer.
Die Systemfrage
TTIP ist jedoch Teil
einer weitergehenden Debatte. Es erregt die Gemüter letztlich vor allem deshalb,
weil es aufgrund seiner Thematik ein weiteres Schlachtfeld in der größeren
Systemfrage darstellt, die auch heute, über 25 Jahre nach dem Fall der Berliner
Mauer, nicht geklärt ist. Gerade hier entzündet sich einmal mehr vehemente Kritik
an eindeutig negativ konnotierten Schlagworten wie Kapitalismus und
Neoliberalismus.
So gilt TTIP für
Befürworter letztlich lediglich als „more of the same“ von ohnehin bereits für selbstverständlich
erachteten Prinzipien – Freihandel und Investorenschutz gibt es ja
grundsätzlich bereits. Für Kritiker ist dieser status quo als solcher jedoch verfehlt: Statt den bereits vor
Langem betretenen Pfad weiterzugehen sollte endlich umgekehrt oder wenigstens
eine Abzweigung genommen werden. So gesehen gibt es kein richtiges TTIP im
grundsätzlich falschen Wirtschaftssystem. Daher wird die dahingehende Kritik
ungeachtet des finalen Ausgangs der Verhandlungen auch nicht verstummen.
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